Freitag, 20. Juni 2008: Der Kreis wird enger
Wir wollten früh morgens im Hotel in Sahagun das Frühstück einnehmen und gingen in den Frühstücksraum. Ein völlig demotivierter Ober fragte uns, was wir wollten: "Desayuno" - was auf spanisch Frühstück heißt. Es kamen Cafes mit Milch.
Entweder beginnt es jetzt, kommerzieller zu werden oder der hat uns am Vorabend als Deutsche geoutet. Da spielte nämlich Deutschland:Portugal in der EM und "wir" haben gewonnen. Da war derselbe Ober da???
Gut so, wenn der nicht will, dann frühstücken wir eben später auf dem Weg.
So besichtigen wir nochmals die Kirche des ehemaligen Klosters und die romanische Kirche San Tirso.

Die romanische Kirche San Tirso
Über eine alte Steinbrücke über den Ceu-Fluss verließen wir Sahagun und fuhren aus dem Ort hinaus.
Der Radweg folgt der fast autofreien Nationalstraße 120. Wir bleiben auf der Straße, da wir beim "Autozählen" auf maximal drei kamen.
Der Fußweg des Camino folgt der Straße.
Bei "Calzada del Coto" zweigte der Radweg auf eine kleine Nebenstraße ab, die gänzlich unbefahren war.
Der Straßenrand scheint von Gärtnern bepflanzt zu werden, denn nur so kann so ein perfektes Miteinander von Farben und Blumen entstehen. (Klatschmohn, Kornblumen, Margeriten, Kornblumen, Ginster.....)
Nach zwölf Kilometern erreichen wir den kleinen Ort "Bercianos del Real Camino" und machen in einem kleinem Restaurant mit Biergarten Halt.
Ein super Kaffee und köstliche Kuchen, z. B. eine Art versenkter Apfelkuchen und allerlei Gebäck wareten auf uns. Und das für 2,70 Euro pro Person.
Hier treffen wir eine einzelne Frau, die ihre Blasen mit Pflastern behandelt und noch 8 km weiterlaufen will. Ebenso eine fülligen Deutschen aus dem Taunus, der "lahm" geht und uns erzählt, dass er 5,5 Wochen insgesamt eingeplant hat und in den Pyrenäen gestartet ist. Bedingt durch das Regenwetter am Anfang hat er zwei Etappen mit dem Bus aufgeholt.
Nach der Weiterfahrt passieren wir eine Kirche, deren Dach momentan gedeckt wird. 5 Männer geben Ziegel von Hand zu Hand... "Where do you come from - Englisch?". Nachdem wir uns identifiziert hatten und uns alles Gute gewünscht wurde, ging es weiter und wir folgten der kleinen Straße zwischen der Autobahn und dem Fußweg des Camino.
Bei einer einsamen Eremitage hielten wir an, zwei ältere Ehepaare betreuten die Kirche und ließen uns noch zur Besichtigung rein.
Dann ging es weiter durch einsame Gebiete mit riesigen Feldern, in denen Regneranlagen standen, die gut 90 Meter breit waren. Felder über Felder folgten, mal Weizen mal Mais.
Die Straße unterquerte dann die Eisenbahnlinie und führte auf der anderen Seite schließlich zu einem Ort mit einer kleinen Kirche.
Da der "Stempler" in der Kirche saß, haben wir uns sofort einen weiteren Stempel für den Pilgerausweis besorgt.

In der Kirche von Burgo besorgen wir uns einen Pilgerstempel.
Weiter ging es auf der kleinen Straße durch endlose Weiten bis zum Ort "Reliegos". Dort dröhnte uns lautstark Musik von Elvis Presley entgegen. Wo sind wir??
Die Quelle war schnell ausgemacht: Es war eine Bar, in der der Besitzer und zwei alte Opas saßen. Das waren 30% der Einwohner vermutlich.
Natürlich machten wir dort Pause und es gab ein "Cerveza", einen Orangensaft und eine große Flasche Wasser. Tortillas gab er uns gleich kostenlos mit.
Von einem anderen Pilger angesteckt, der ein Schinkenbaguette aß, bestellten wir auch gleich eines: gut 100 g feinster Rauchschinken auf einem halben Baguette und das für 3,50 Euro!

Unser Zwischenstopp mit Schinken
Der nächste Ort hieß "Mansilla de los Mulas", ein ehemals ummauerter Ort, deren Reste noch vorhanden waren. Gleich zwei sehr schöne Kirchen waren zu besichtigen und sehr schöne Straßenzüge mit mittelalterlichen Häusern.
Über den Fluss "Rio Esla" erreichten wir eine Nationalstraße, der wir aber auf dem parallel verlaufenden Camino verkehrsarm folgen konnten.
Hier fiel uns sofort auf, dass es dort keinen Gegenverkehr gibt. Alles und jedes strebt nur nach Westen.
Auf dem Pilgerweg blieben wir bis kurz vor Leon, wo uns ein Mitarbeiter eines Autohauses auf die Stadtautobahn lenkte.
So erreichten wir nach vier Kilometern Bergabfahrt die historische Stadt Leon.
Weil wir heute schon um 16.00 Uhr ankamen, stand gleich die Stadtbesichtigung auf dem Plan. Ein hübsches Hotel im Zentrum wurde gebucht und die Räder eingestellt. Dann zu Fuß in die sympathische Altstadt.
Auch hier steht eine riesige gotische Kathedrale im Zentrum. In der Kirche in der Kirche war gerade der Gottesdienst zu Ende und ein gemischter Chor sang noch mehrere Lieder - monumental! Wie in Burgos auch hier rund um die Kirche mit dem Chorgestühl viele herrliche einzelne Kapellen und wundervolle bunte Glasfenster.
Von den übrigen Kirchen und alten Klosteranlagen in der Stadt ganz zu schweigen. Auch ein Teil der Stadtmauer ist noch erhalten.

Die gotische Kathedrale von Leon
Das Essen war heute wieder gigantisch.
Vorspeise: Fischmousse mit Knoblauchcreme und Crepes mit Gemüse und Ziegenkäse überbacken
Hauptgang: Schnitzelchen mit Kartoffeln und rosa gebratene Entenbrustscheiben mit Rotweinsauce und Aprikosen
Dessert: Flan Caramel und Milchreis
Dazu ein wundervoller Tinto (14 %!), Wasser, Brot und Cafe con leche
Da lacht das Herz und der Magen!
Fazit des Tages: Alle Pilger, Wanderer und Fahrradfahrer, sammeln sich so langsam auf einem Weg oder direkt nebeneinander.
Man sieht, dass es doch einige sind (von Massen aber nicht zu reden).
Eine Art Sogwirkung entsteht und immer wieder sieht man Gesichter, die man schon überholt hat. Offensichtlich nehmen viele Fusspilger am Rande einer Stadt wie Leon den Bus durch die Vororte und Industriegebiete, nur so können die Fusspilger die 60 km auch an einem Tag überbrücken.
Wir haben jetzt rund 510 km mit dem Rad hinter uns, also bleiben uns noch circa 365 km bis Santiago. Wahrscheinlich wird der Pilgerstrom jetzt von Tag zu Tag stärker, wir lassen uns überraschen.
In Leon aber tobt der Bär, es ist wieder Freitag und jung und alt und Kind und Kegel ist auf den Gassen, überall Musik und Wochenendstimmung.
Unser Höhendiagramm: Tageskilometer 60, Höhenmeter 563 (lasch!) 
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