Freitag, 30. Mai
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Mit dem Auto über das Molls Gap nach Kenmare und weiter
bis Lauragh, dann mit dem Fahrrad ohne Gepäck weiter.
(Es ginge auch direkt von Killarney die Beara-Halbinsel zu umrunden.
Zwei Tage müssten dann aber eingeplant werden)
Eine kleine Straße führt über den Ovenshagh
River. Hier ist es richtig einsam! Die Straße ist schmal,
zwei Autos kommen nicht ohne Halt aneinander vorbei. Zunächst
steigt der Weg durch von Hecken gesäumte Gebiete, dann wird
er offener und die Sicht nach unten wird frei.
Der Healy Pass liegt in der Ferne vor mir. Links unten schimmert
der Glanmore Lake mit seinen kleinen blühenden Inseln. Auf
der rechten Seite, dem Bergmassiv, wird es immer karger.
Fast nur Fels, kaum Vegetation.
Zwei Fahrradfahrerinnen kommen bergab. Der Weg steigt gleichmäßig,
ab und zu passiere ich eine Steinbrücke über kleine
wasserfallartige Bäche. Es fällt schwer, nicht zu fotografieren.
Eine Aussicht schöner als die andere.
Oben an der Passhöhe zwängt sich die Straße
durch zwei Felsen. Ich bin da!
Grandios der Ausblick auf die Südseite, die Straße
führt dort in zahlreichen Serpentinen bergab.
Die Nordseite - meine Anfahrt - war vom technischen Aufwand her
weit weniger aufwendig, steil und direkt.
Kaum stehe ich, sehe ich einen Kleinbus die Serpentinen hochkommen.
Er hält nicht weit von mir, ich werde mehrmals fotografiert,
bevor die Touristen im Andenkenladen beim Pass verschwinden und
dort die typisch irischen Waren aus Schaf-Fellen, Wolle usw.
kaufen.
Dann geht's bergab. Schade, dass die grobe Oberfläche des
Straßenbelages eine schnelle Abfahrt verhindert. Schlaglöcher
und der Hinweis auf Bauarbeiten fordern oft, zu bremsen.
Adrigole heißt die Küstenstadt, die vor mir liegt.
Vergebens suche ich nach einem Bankautomat, aus dem ich meine
Geldreserven wieder auffüllen könnte. Der Geldbeutel
liegt auf dem Rücksitz des Autos.
Die Fahrt geht dann weiter auf einer gut ausgebauten, aber wenig
befahrenen Straße in Richtung Westen.
Leichter Wind kommt von hinten. Was gibt es Schöneres.
Hier denke ich noch, außer Landschaft und dem knapp über
300 m hohen Pass war es das für heute. Ich sollte mich irren.
Casteltown-Bearhaven erreiche ich als nächstes. Geschützt
liegt ein netter, gemütlicher Hafen in einer Bucht, nur
ein schmaler Zugang zum Meer. Die Industrie ist versteckt auf
einer Insel in der Bucht, es sieht hier so fremdartig technisch
aus.
Im Ort gibt es eine Bank und die Scheckkarte wandert in den
Automaten. Die Suche nach einem kleinen Café oder einer
Gartenwirtschaft findet ihr Ziel in der "Old Bakery".
Mehrere, ziellos herumirrende junge Mädchen versuchen, drei
Kunden zu bedienen. Jede macht alles. Ich bestelle einen Cheese-Cake:
wahrscheinlich die Vorlage zu unserem "Kaltem Hund",
ein Boden aus Nüssen, Honig usw. darüber eine Schicht
aus eingedickten Kirschen und darüber eine Schicht mit aromatisiertem
Frischkäse. Zusammen mit einem Irischen Cappuccino lasse
ich ihn mir schmecken.
Beim Schloss Dunboy - die Landschaft ist herrlich - verzichte
ich auf eine Besichtigung. Eintritt teuer und wenig Zeit! Es
geht wieder bergauf. Von Null auf 150 m. Dann geht es gleich
wieder bergab.
Links von mir wieder das offene Meer. Herrlich! Rechts die Landschaft
äußerst karg. Lange Felsen ragen in paralleler Richtung
zur Halbinsel aus dem Boden. Pferde - im Verhältnis zu den
unzähligen Schafen - ein seltener Anblick, grasen und schauen
neugierig auf den einsamen Radler.
Die Gegend wird immer einsamer und bizarrer. Über dem tiefblauen
Meer liegt fern ein leichter Dunst.
Bei Canalough erstreckt sich eine kleine Halbinsel mit Leuchtturm
ins Meer. Bei Killough, kurz vor dem Bealbarnish Gap muss ich
mich entscheiden, ob ich den angestrebten, äußesten
Punkt der Beara noch anfahre. Bei der Abfahrt in Lauragh hatte
ich meine Stoppuhr auf Null gestellt, und mir eine späteste
Rückfahrzeit gemerkt, um bei Halbzeit umdrehen zu können.
Die Uhr zeigt: noch viel Zeit.
Den Weg von hier ab, muss ich auf derselben Straße zurückkehren,
denn es gibt nur noch eine Straße auf der schmalen Halbinsel.
Recht hügelig fahre ich durch eine Traum-Landschaft. Nur
zwei Bauern, die, jeder auf seiner Seite der Mauer des eigenen
Grundstückes, miteinander reden. Kommunikation zwischen
Steinmauern.
Bei Scrivoge geht es zum Firkeel-Gap, einem Minipass.
Gnadenlos blau erscheint hier der Garnish-Strand. Es begegnet
mir ein Tourist und begrüßt mich mit einem "Great".
Wahrscheinlich säße auch er lieber auf einem Fahrrad.
Über einen Hügel erreiche ich auf einer steil abfallenden
Straße das auf Meereshöhe liegende Ballagboy.
Hier hört Irlands Festland auf. Auf einer Insel liegt das
felsige "Dursey Island" vor mir.
Ein Schild Moskau 2300 km, New York 7000 km zeigt mir ziemlich
genau, wo ich bin: am "Arsch der Welt".
Über zwei gewaltige Masten ist ein Seil vom Festland
zur Insel gespannt, eine Gondel ("Cable Car") fährt
im Stundentakt zur Insel und zurück. Das Glück will,
dass ich die Ankunft einer Gondel miterlebe. Nur ein älteres
Ehepaar steigt aus, wahrscheinlich Wanderer, die den Tag auf
der Insel verbrachten.
Zur Feier des Tages esse ich meinen Apfel und trinke an der
Seilstation ein Wasser für 70 Pennys. Jetzt geht's über
die Südküste Richtung Heimat. Auf dem Weg zurück
treffe ich drei Damen auf Fahrrädern, die mich begleiten
wollen. Als sie aber hören, wie weit ich noch fahren muss,
ist das Thema beendet.
Zunächst wieder das Firkeel Gap, dann das traumhafte Bealbarnish
Gap. Hier geht's steil nach oben und dann wirklich brutal nach
unten. Warnschilder weisen darauf hin, dass am Ende der Bergabfahrt
das Meer kommt.
Hier hat die Natur mit Farben nicht gespart:
Saftiges Grün der Wiesen, tiefes Blau des Meeres und alle
möglichen Farben der Blüten. Niemand begegnet mir bis
Allihies.
Ich entdecke dort einen Laden, den ersten seit über 40 Kilometern.
Sogar Buttermilch gibt es zu kaufen, dazu Orangensaft und Wasser.
Trinken, trinken und trinken!
Zufällig gesellt sich ein entgegenkommender Fahrradfahrer
zu mir. Seit acht Jahren befährt er jeweils mehrere Wochen
Irland mit einem speziell mit Federgabel ausgestatteten Rennrad.
Er war fast schon überall, nur die Pässe Connor und
Healy mied er seither wegen seines Gepäcks.
Jetzt beginnt eine schöne Tortur, eingeschnittene Buchten
mit blauem Meer, teils mit angeschwemmtem Sand, teils nur Kiesel,
jede für sich ein Traumziel, aber: Die Straße führt
von Bucht über einen Berg zur nächsten Bucht, ....
zur nächsten Bucht! Und immer rauf und runter. Hier gibt
es Höhenmeter!
Schon seit einer geraumen Weile fahre ich an einem hohen Bergrücken
vorbei, immer in der Hoffnung, ihn umfahren zu können, gefehlt:
bei Reentrusk geht die Straße wieder bergauf, der nächste
Gap wartet.
Oben angekommen habe ich einen riesigen Blick über die Küste
von Kerry, den gestern gefahrenen Beenarouke-Pass und die der
Kerry vorgelagerten Inseln. Die Straße führt über
mehrere Hügel direkt am Meer entlang nach Eyeries.
Die Landschaft ändert sich langsam von felsig hügelig
in gleichmäßigere lange Täler mit hohen Bergzügen.
Sie wird sanfter und grüner.
Rhododendren, Fuchsien, Fingerhut und Lilien wechseln sich
mit vielen Spielarten von Grün ab. Der Gegenwind bleibt,
ich muss alles geben, damit mein Zeitplan aktuell bleibt. In
Eyeries glaubt man im Ausstellungscenter von IG-Farben zu sein.
Kein Haus hat normale Farben, schreiendes Rot wie die Fuchsienbäume
Tiefes Blau, wie das Meer, Gelb wie die Lilien und dazwischen
alle anderen Farben, Hauptsache Farbe.
Einen ähnlichen, aber weniger stark ausgeprägten Eindruck
hatte ich schon in Castletown-Bearhaven; überhaupt scheint
die Beara noch mehr Farbe zu lieben, als Dingle und Kerry.
Relativ eben geht es etwas zurückgesetzt vom Meer nach Ardgroom.
Den Wind im Gesicht und die Zeit im Nacken radle ich, was das
Zeug hält, an Standing Stones und Stone Rows vorbei, ohne
sie entsprechend zu würdigen.
Irgendwann muss ich mit mehr Zeit zurückkommen, das steht
schon fest.
Ardgrom Harbour, so heißt die Bucht, erradle ich direkt
an der Küste. Die Abendsonne lässt die Vegetation in
Gelbgrün erscheinen, ein riesiger Kontrast zum blauen Meer.
Stundenlang könnte man stehen bleiben.
Über ein lächerlich 60 m hohes Gap erreiche ich die
Kilmakilloge Bucht. Dunkelblaue und rote Kugeln, als Schwimmer
für die Austernbänke benutzt, liegen in mathematisch
genauen Abständen auf dem glänzend blauen Wasser. Der
erste Tribut an die Zivilisation - plötzliche Ordnung zur
gewohnten wilden Rauheit.
Lauragh liegt vor mir. Es fällt mir schwer, mich nach so
vielen Eindrücken zu entsinnen, wo das Auto steht. Laut
Karte muss ich eine Flussmündung überfahren, dann käme
Lauragh. Der Fluss kommt, aber kein Ort, nur weit verstreut ein
paar Häuser.
Ich bin am Auto. Es ist 18.03 Uhr. Früher als ich dachte.
Das Fahrrad ist schnell auf dem Heck-Träger verschnürt.
Ab nach Killarney. Bei Kenmare meldet sich Heike per Telefon:
Kannst Du uns holen ... Klar, aber die geplant halbe Stunde bis
Killarney zieht sich, weil ein LKW in einem schmalen Felstunnel
hängen blieb und die Polizei in rückwärts ausleiten
musste. Wir treffen uns beim Muckross-Hotel.
Leider ist wieder alles belegt und wir müssen, nach dem
Duschen im "White Gate Hotel" essen.
Glücklicherweise finden wir das Restaurant nicht und landen
im Pub.
Wir essen vorzüglich und günstig: Showder, eine
Suppe mit Gemüsen und Seafood. Es schmeckt so gut, dass
Heike sogar die Muscheln "schluckt", Hauptgang natürlich
Fisch, schmeckt vorzüglich.
Der einzige Haken, nach dem Duschen musste ich, weil nichts
Anderes verfügbar war, auf die vermeintlich gute französische
Sonnenmilch zurückgreifen. Eine übermäßige
Augenempfindlichkeit mit einzelnen Tränchen waren die Folge,
was mir den Namen "Captain Hook" eintrug.
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